Frauen & Fahrrad

Warum nutzen Frauen denn das Fahrrad nicht gleichermaßen für den Sport?

Ich denke, es gibt da einige Hürden. Einerseits auf Produktebene – also vielleicht fehlen passende Angebote. Aber vor allem fehlt oft auch ein unterstützendes, motivierendes Umfeld. Eine Community, mit der man gemeinsam anfangen kann, ist extrem wichtig. Selbst wenn frau motiviert ist, sich sportlich zu betätigen, braucht es oft noch eine passende Peer Group, die einen aufnimmt und in der man sich wohlfühlt.

Ein weiterer Punkt ist die Zeit. Gerade im leistungsorientierten Sport muss man Training in den Alltag integrieren. Das ist nicht immer einfach. 

Und letztlich geht es auch darum, überhaupt das Potenzial zu wecken. Vor allem im leistungsorientierten oder wettkampfnahen Bereich müssen Mädchen und junge Frauen gezielt ermutigt und motiviert werden.

Werden sie das bisher nicht?

Ein Beispiel: Nina Sielmann von Women in Cycling Germany hat früher bei MTB- und Trekking-Cross-Rennen mitgemacht, ist aber irgendwann rausgefallen. Nicht, weil sie nicht mehr wollte, sondern weil es niemanden gab, der gesagt hätte: "Hey, mach doch weiter! Es gibt da noch Möglichkeiten, auch wenn es offiziell nur für Jungs ausgeschrieben ist" Solche Anstöße fehlten und fehlen.

Was müsste passieren, damit Frauen häufiger das Fahrrad nutzen?

Ein wichtiger Hebel ist Sichtbarkeit. Frauen müssen wissen, wo sie sich hinwenden können, wenn sie Interesse haben. Sichtbarkeit auch generell in den Medien, in der Werbung – da kann man viel bewegen. Oft sieht man in Anzeigen oder Kampagnen nur Männer mit der neuesten Kollektion und dem teureren Fahrrad. Warum nicht auch Frauen? Das würde Frauen nicht nur ansprechen, sondern wäre auch wirtschaftlich sinnvoll – ein ungenutzter Wachstumsmarkt.

Auch im Handel sieht man den Unterschied deutlich: In Sportgeschäften ist die Auswahl für Männer oft deutlich größer als für Frauen. Klar, Angebot und Nachfrage hängen zusammen. Wenn die Nachfrage geringer ist, wird auch weniger angeboten. Aber das ist ein Kreislauf. Wenn man mehr Frauen fürs Radfahren begeistert, wächst auch der Markt.

Dass die Belegschaft im Verkauf und in der Werkstatt eher männlich ist, kann auch zu Zurückhaltung führen. Netzwerke, wie Women in Cycling, machen Frauen in der Branche sichtbar, schaffen Angebote und ermutigen sie, Raum in diesem klassischen #malefield einzunehmen

Der Radsport ist stark männlich geprägt – wie wirkt sich das aus?

Der Radsport ist sehr leistungsorientiert, stark männlich dominiert und folgt gewissen Regeln. Frauen passen sich an diese Regeln an. Aber es braucht Veränderungen im System. 

Das fängt mit der Teilnahmemöglichkeit an. Erst seit 2022 dürfen Frauen bei der Tour de France Femme mitfahren. Bis 2020 waren sie ausschließlich als Podiumsgirls bei diesem wichtigen Sportereignis präsent. Das zeigt, wie sehr Frauen selbst im Spitzensport noch um ihren Platz kämpfen müssen.

Wie bei vielen Sportarten ist auch die Aufmerksamkeit im Radsport ungleich und zum Nachteil für Frauen verteilt. Ein gutes Beispiel: Tadej Pogacar wurde nach dem letzten Strade Bianche von Medien als erster Weltmeister, der das Rennen gewinne, gelobt. Er wies dann darauf hin, dass Weltmeisterin Lotte Kopecky im Vorjahr bereits eben jenes Rennen gewonnen hatte. Diese Klarstellung war wichtig. Weibliche Erfolge dürfen nicht, werden aber oft noch unter den Tisch gekehrt. Neben dem Rennradsport muss ich aber auch sagen, dass beim Graveln der Zugang wesentlich niedrigschwelliger ist.